7. Etappe: Ossana - Stenico

Cascata
Am Cascata di Mezzo

Als eigentliches Ziel haben wir heute Riva. Davon trennen uns nur noch 2000 Hm bergauf und 2900 Hm bergab auf guten 100 km. Wir kommen aber an diesem Morgen nicht so früh weg wie geplant und haben auch keine Lust uns abzuhetzen, nur um heute Abend am Gardasee zu sein – schau’n wir mal wie weit wir kommen.

Auf dem Weg nach Dimaro kaufen wir in einem kleinen Supermarkt unsere Brotzeit. Wie immer dabei: Schinken, Brotfladen, Pflaumen, Äpfel und Schokolade (Ritter-Sport Weiß und Snickers). Sorgen darüber, ob die Schokolade anfangen könnte zu schmelzen, brauchen wir uns an diesem trüben Tag wieder einmal nicht zu machen.

Hätten wir gewußt, daß es bis Dimaro nur eine gute halbe Stunde ist, so hätten wir die 12 km gestern noch hingehängt, denn hier beginnt der Anstieg nach Madonna di Campiglio. Richtig Lust auf die Auffahrt habe ich eigentlich nicht. Wir haben uns beide von den letzten anstrengenden Tagen noch nicht erholt, und die tief hängenden Wolken lassen uns keine Sicht auf die Brentagruppe. Lars war schon mit dem Moped bei diesem Wetter in Madonna und macht mir mit der Aussage „da sieht man eh nichts außer Bäumen“ keine Hoffnung. Nach einer scheinbar ewigen Auffahrt auf einem Forstweg trifft die Beschreibung dann auch wortwörtlich zu.

Nach dem Mittagessen (Lasagne und Gorgonzola-Polenta) sind wir besser motiviert und fahren auf einem netten Waldweg auf etwa gleicher Höhe bis zum Rifugio Cascata di Mezzo.

Es geht weiter auf Forst- und Waldwegen bis zu einer schlecht beschilderten Kreuzung. Wir biegen prompt ein Tal zu früh ab und fahren bei Nieselregen ins Val Brenta statt ins Val d’Agola. Unseren Irrtum bemerken wir 2,7 km weiter und fast 200m weiter oben. Unseren ersten ernsthaften Orientierungsfehler nehmen wir locker hin und genießen den kurzen Downhill zurück zur Kreuzung. Mit dem Zeitverlust, die uns dieser Umweg eingebracht hat, steht es nun endgültig fest, daß wir Riva heute nicht mehr erreichen werden.

Als wir endlich auf dem richtigen Weg ins Val d’Agola sind, reißen die Wolken auf und wir dürfen einen kurzen Blick auf die schroffen Felsformationen der Brenta werfen. Der Alpweg läßt sich weiter sehr gut fahren und wir erreichen den kleinen Bergsee Lago Val d’Agola relativ zügig.

Rechtzeitig zu unserer Brotzeit am See wird die Sicht immer schlechter und es kommt ein eisiger Wind auf. Da wir aber heute einen so exzellenten Schinken und sehr gutes Brot gekauft haben lassen wir es uns trotzdem schmecken. Den ebenfalls außergewöhnlichen Ge-schmack eines unserer Power Gele kann man Lars am verzogenen Gesichts-ausdruck ablesen.

Am See wundern wir uns über die große Masse an 5 bis 10 mm großen Fröschen, auf die wir noch in 200 Hm Entfernung treffen.

Der Aufstieg zum nahen Pass Bregne de l’Orse wird noch einmal so richtig knackig. Wir müssen unsere Räder vom See an schnurgerade bergauf über eine Wiese und später ebenso steil durch den Wald schieben.

Das letzte Schiebestück muss noch gehen – auch wenn der Lenker auf Kinnhöhe ist und die Füße hinterm Hinterrad kaum Gripp haben.

Die Abfahrt ins Val d’Algone beginnen wir im Nebel. In der Nähe der Alpe Malga Movlina reißen die Wolken plötzlich auf und wir sehen die südwestlichen Ausläufer der Brenta in herbstlicher Abendstimmung. Auch jetzt können wir nur wieder erahnen, wie herrlich diese Etappe bei schönem Wetter gewesen wäre.

Der ca. 15 km lange Downhill ins Tal ist die Krönung dieses ansonsten trüben Tages. Die ersten 12 km fahren wir – mittlerweile mit deutlich mehr Vertrauen auf unser Fahrkönnen - auf Schotter, der Rest geht auf einer schmalen geteerten Straße bis zur Hauptstraße weiter. Das erste mal auf dieser Tour sehen wir noch relativ weit oben Rotwild, das von uns völlig überrascht ist und sein Heil in der Flucht sucht.

Mit Einbruch der Dunkelheit erreichen wir Stenico. Dort übernachten wir in einem coolen Castello, mit einer genialen Aussicht. Nach dem Duschen machen wir uns auf die Suche nach einem Lokal, aber das einzige Restaurant schließt ausgerechnet Dienstags früher - wir müssen uns also mit zwei Cappucchinos in einer Bar begnügen. Ein Einheimischer mit etwas Deutschkenntnis versucht uns dabei allerhand seltsame Geschichten zu erzählen. Zurück im Castello essen wir unsere übrigen Müsliriegel (ich) und hoffen auf das Frühstück.

 
 
© Lars Kaufmann / Nicole Miller www.schrofenpass.de aktualisiert: 13. Februar 2005